OMR. Diese drei Buchstaben können allerlei abkürzen, in der Internet-Gemeinde stehen sie für Online Marketing Rockstars. Ein amüsanter Name, der Programm ist: 2011 geht das Festival als Konferenz mit 200 Gästen an den Start – und wächst. Die Erfolgsstory in Zahlen: 52.000 Besucher, 600 Speaker, 400 Aussteller und zwei Format-Bausteine: Expo und Konfi. Ziemlich beachtlich finde ich es auch, sich als Not-OM die Themen anzusehen. Auf dem Zettel steht Content Marketing, E-Commerce, Social Media Marketing und SEO, womit ich nicht nur wegen der vielen Besuche in der Google Zukunftswerkstatt ganz gut was anfangen kann. Aber es wird noch wilder: Native Advertising und Kalendermarketing zum Beispiel. Der Blick auf die Speaker enthüllt internationale Superstars der Szene, Hidden Champions und Lokalmatadoren, mal ganz abgesehen vom Who is Who der Aussteller – dabei sein ist alles, ob nun digital Brand oder tankerartiges Corporate, ob nun Agentur oder Start up.
Philipp Westermeyer und Team macht Corona einen Strich durch die Rechnung, denn die #OMR20 kann, wie alle anderen Großveranstaltungen, nicht stattfinden. Natürlich ist es naheliegend, die Veranstaltung in den digitalen Raum zu shiften,
denn viele der Teilnehmer sind ohnehin Digital Natives. Was man jedoch auch zur OMR wissen muss: Sie funktioniert neben der Wissensvermittlung (Expo) auch als Messe (Expo) und wird von einem ausgelassenen Spirit getragen, der eher an ein Festival als an eine Businessveranstaltung im Anzug erinnert. Wie bei einem Life Konzert geht es um das das positive Erleben, um Freude und Ausgelassenheit, um die Begeisterung und den Austausch zu den brennenden Inhalten – und um networking. Lässt sich das tatsächlich digital abbilden und erleben?
Statt Großveranstaltung gibt es Masterclasses, und ich gewinne ungefähr die Hälfte der Sessions, für die ich mich beworben habe. Große Freude, denn auf meinem Zettel steht zuerst einmal „Kreativität und Strategie für gesunde Marken“. Das Thema begleitet mich schon fast mein ganzes Berufsleben als Markenarchitektin. Einer der größten Tiefpunkte war sicherlich die Finanzkrise, die viele Retail-Brands von der Einzelhandelskarte gefegt hat.
Corona hält das Brennglas zielgerichtet und fordert Antworten. Auch von Veranstaltungsbranche und Einzelhandel, von Konsumenten und Markt-Playern. „brands are born out of the union of people and ideas, and they start developing their own identity”, so formuliert es Karolina Pospichil.
Eine Entwicklung beinhaltet auch Krisen, von denen wir in den letzten Jahrzehnten einige erlebt haben. Unter dem Gesichtspunkt der Markengesundheit kann man eine Krise durchaus als Disruption und Bedrohung empfinden, allerdings auch viel wertvoller als die ultimative Chance für Neuerung, Neuausrichtung und Schärfung der Markenpositionierung und des Markenbildes. Es geht dabei auch um das Vertrauen, das eine Marke in sich setzt – und das Vertrauen, das der Markt und damit die Konsumenten der Marke entgegenbringen. Wie schnell Vertrauen verspielt wird, zeigt einer der internationalen Love Brands: Eben noch hypererfolgreicher Player, dann mittelloses Opfer, nur um staatliche Hilfen in Anspruch zu nehmen zu können. Die Frage nach Markenvertrauen bekommt eine ganz andere Konnotation- oder ist das schon wieder Schnee von gestern, weil die neue Kampagne eine super gelaunchte Challenge ist, und die Menschen „Ausrutscher“ vergessen lässt? Ich denke, es geht um mehr. Es geht auch um Sinnstiftung, Purpose, auf Neudeutsch.
Vielleicht ist es eine Gelegenheit, um noch weiter über die VUCA
Welt nachzudenken, über Change-Modelle, die den emotionalen Veränderungsprozess
abbilden („Roller Coaster Modell“, Hurst / Shephard oder „Trauerkurve“, Kübler-Ross), um einen Blick auf die vielfältigen Chancen zu richten, die in der Disruption liegen. Die Veränderungen sind überall und machen auch vor den digitalen Pionieren der Onlinemarketings nicht halt.
Auch auf der OMR fällt der Begriff „New Normal“. Eine mögliche Antwort, wie man eine Veranstaltung digitalisiert, kann zum Beispiel die eigene, digitale Arbeitsweise
geben: Für die OMR scheint es ganz natürlich, die Masterclasses auf einer eigenen Plattform zu streamen, Slack als Collaborationstool für Smalltalk zu nutzen, um sich dann auf LinkedIn oder Xing zu connecten. Die Keynote hält Philipp zum Thema „State oft he German Internet“, sie wird live auf YouTube gestreamt und liegt dann zur Nachlese auch gleich am passenden Ort.
Die Tolls sind nicht neu, viele beschleunigen und vereinfachen auch meinen Arbeitsalltag und den des agilen Netzwerks ARTELIER ATMOSPHER. Damit unterscheidet sich das Studio von vielen klassischen Architekten und Innenarchitekten, manche mit einer behäbig-staubigen und vielleicht auch charmanten Art.
Natürlich spürt jeder Teilnehmer der digitalen Formate die „kognitive Schere“. Sie schneidet im digitalen Raum Teile der gelernten Wahrnehmung derart ab, dass das Gehirn quasi in Eigenarbeit Fragmente nachbildet, ergänzt und das Bild vervollständigt. Das ist auch der Grund, warum Video-Calls den Menschen stärker auslaugen als Zusammenkünfte in real life.
Die Sehnsucht und Suche nach einem neuen Normal treibt auch die Teilnehmer der OMR an. Doch vielleicht ist das „New Normal“
gar kein endgültiger Zustand, sondern die Abfolge eines neuen Status an einen weiteren neuen Status, und so weiter? Eine Fortsetzung permanenter Veränderungen, bunte Permanent Beta-Perlen in einer schier unendlichen Kette aneinander gefügt? Aus meiner Sicht ist es längst nicht soweit, dass die neue Normalität ausgerufen werden kann oder sollte. Ich denke, dass wir zuvor noch ein paar Themen bearbeiten sollten, um ein gutes Ziel anzustreben: Bessere Ideen, bessere Arbeit, bessere Marken.
Zurück zum Event. Die OMR fasst im Digitalraum 60.000 Besucher. Dass wir Mitte Juni noch mitten in der Krise stecken, zeigt auch die Veranstaltungsbranche, die seit vier Monaten statt Messen, Hauptversammlungen und Events romantisch anmutende Autokinos in die Städte zimmert. Heute findet an 250 Standorten die „Night of the Light 2020“
statt, in der riesige rote Licht-Monumente errichtet werden. Mit dabei der Berliner Funkturm, Landmark der Messe Berlin, und natürlich ist die Frage berechtigt, ob auch der Hamburger Tele Michel heute Nacht rot erstrahlen wird. Anfang des Monats wurde ein neues Betreiber-Konzept von der Hamburger Messe und Philipp Westermeyers´ Ramp 106 GmbH vorgestellt, um dem Turm ab 2023 wieder Leben einzuhauchen.
Selbstverständlich wird Night of the Light gestreamt, aber es ist eher ein flammendes Aufmerksam-Machen und ein Connecten der Branche als ein reines Unterhaltungsformat. Auch dies eine Perle der Veränderungskette, in der sich die Veranstaltungsindustrie gerade mit wenig klarem Ausgang bewegt – ganz anders als die digitalen Player, die Ihre Lösungen aus dem Datenraum kommend in der analogen Welt verankern.
Was bleibt? Lebenslanges Lernen, zum Beispiel. Diesen Punkt arbeitet Herr Korte in der Masterclass „Mobility Circus – Warum wir uns schwertun, neue Wege zu gehen“
sehr deutlich heraus. Tatsächlich sind körperliche und geistige Agilität im Ergebnis vergleichbar, denn beide verhindern das Altern des Gehirns. Das Gehirn ist plastisch und zum Wachstum angeregt.
Das passiert auch, wenn der Mensch nicht in der eigenen Themenwelt sesshaft ist, sondern sich aufmacht, Neuland zu entdecken.
---
Wenn Du mehr erfahren willst, welche Innovationen und neuen Ideen in Deinem eignen Brand oder im Corporate stecken, für das Du arbeitest, schreib mir eine Nachricht! Ich berate Dich gern - einfach unten auf den Button drücken. Ich freue mich auf den Austausch!
---
Mehr Material:
- OMR 2020: Keynote von Philipp Westermeyer, "State of the German Internet"
auf YouTube (sehenswert auch schon allein wegen des Setdesigns, nämlich ein historisches Klassenzimmer)
Logo:
Credits an OMR, Quelle: Wikipedia, aufgerufen am 22.6.20
Pics:
Hilke Ludwigs, aufgenommen aus der Keynote.